März 2006
Lieber Rolf Robischon,nachdem ich nun Ihre homepage gründlich durchgearbeitet habe, bin ich beeindruckt, begeistert und traurig, da ich gerne noch mehr und immer weiter gelesen und geschaut hätte. Mir ist, als hätte ich tatsächlich Tage in Ihrem Klassenzimmer zugebracht, so plastisch sind Ihre Berichte mit den Fotodokumentationen. Und ich muss sagen es waren glückliche Tage :-). In vielem wurden meine Wahrnehmungen im Zusammensein mit meinen Betreuungskindern bestätigt und ich habe neuen Mut geschöpft den eingeschlagenen Weg weiterzugehen, die Kinder mehr zu unterstützen statt zu dirigieren, ihnen Freiraum zu geben so gut es geht - entgegen aller Erwachsenenkritik und allem Unverständnis. Gleichzeitig wird mir aber auch immer stärker bewusst, wie unzuträglich, wie ineffektiv und lusttötend die herkömmlichen Lehrmethoden sind. Ich erlebe die Kinder in ihrer freien Zeit als lernbegierig, motiviert, schöpferisch in allen Bereichen, energiegeladen und ausdauernd, erfindungsreich und bemüht, kompetent im Ringen um Konfliktlösung und sozialer Anpassung - doch oft ist es schwer, diesselbe Begeisterung mit der Aufforderung, die oft stumpfsinnigen, bzw. abstumpfenden Hausaufgaben zu erledigen, zu wecken. Traurige und lachende Gesichter, Stempel und rot-gelb-grüne Ampeln, Tierpostkarten für aufgesagte Vater-unser, Süßigkeiten für Bravsein,. Strafpunkte und -arbeiten,sowie Auszeiten für "Herausreden und sich nicht melden", Pausenverbot für Raufereien - und das alles in den ersten Schulmonaten - das genügt wohl um das intrinsische Lerrnen gründlich zu verlernen . (Und mir steh´n täglich die Haare zu Berge) Vor einiger Zeit schickte ich Ihnen eine mail betreffs meiner "Problemkinder". Ich habe mir nun für meinen leseschwachen J..... Ihr Arbeitsheft "Ich kann schreiben und lesen" zugelegt und werde es ihm am Montag "ausleihen". (Er liebt es sich Dinge auszuleihen und seine Zuverlässigkeit unter Beweis zu stellen). Ich bin sehr gespannt, wie er darauf reagiert. Gestern verblüffte er mich als er einem Kameraden Buchstaben in Schreibschrift aufschrieb, die er (ohne Vorwissen) auf einer Schreibtafel geübt hatte, die er sich eine Woche zuvor für einen Tag ausgeliehen hatte.Seine Gedächtnisleistung hat mich schon des öfteren beeindruckt. Etwas erstaunt ließ mich wieder der erste Praktikumsbericht, in dem die Praktikantin auch ihrer Sehnsucht nach Stuhlkreis, mehr lehrerorganisierter Gemeinsamkeit u. dgl. Ausdruck gibt. Immer noch sitze ich der Vorstellung auf, jeder -zumindest junge- Mensch müsste begeistert sein von solch aufgeschlossenen, humanen, persönlichkeitsfördernden Ansätzen. Natürlich kann man dabei aber nicht so gut auf Nummer sicher gehen und muss fähig sein, auszuhalten nicht die alleinige Kontrolle zu haben.Loslassen und vertrauen können, Risiken einzugehen, ist nicht immer einfach, aber es zahlt sich aus, macht lebendig und das Leben interessant. |